Meine Wikinger

Samstag, 22. Oktober 2011

MB SK 1850 Zugmaschine, ein großer Exot

Vor einigen Tagen kamen, zusammen mit anderen Modellen, auch zwei Modelle der Mercedes-Benz SK 1850 Zugmaschine in 1:43. Das dunkelblaue Werbemodell "Europa Truck '93" und das schwarze Serienmodell von 1993. Die beiden Modelle sind bis auf den Druck auf dem Spoiler des Werbemodells und der Farbgebung identisch. Ein weiteres rotes Serienmodell war einfacher gestaltet, es fehlt z.B. der Rammbügel, die stehenden Auspuffrohre und die Frontschürze ist nicht verchromt. Bisher hatte ich mich nie genauer mit dem Modell beschäftigt und es überhaupt erst einmal real gesehen. Als ich mir die beiden Neuzugänge nun genauer angesehen habe, war ich erstaunt wie detailliert dieses Modell ist. In dieser Größe kannte ich bisher nur die VW Modelle, die Wiking früher in 1:40 hergestellt hat. Auch diese waren bereits beeindruckend detailliert, mit Motornachbildung, mehrteiliger Inneneinrichtung usw.
Damals war die Zugmaschine das einzige Modell von Wiking im Maßstab 1:43 und blieb es auch, bis in den letzten Jahren Feuerwehrfahrzeuge in diesem Maßstab in das Wiking-Programm aufgenommen wurden. Dadurch ist sie ein Exot unter den Wiking-Modellen geblieben, nicht einmal einen passenden Auflieger gibt es.
Schauen wir uns dieses besondere Modell also mal etwas genauer an. Verpackt ist es in einer Pappschachtel mit kleinem Podest und Kunststoff-Sichtfenster, das auf den ersten Blick wirkt, als wäre das Modell in einer PC-Schachtel. Auf der Rückseite der Serienmodell-Verpackung sind einige technische Daten aufgelistet. Mit 503PS aus einem V8-Motor mit 14,6l Hubraum dürfte es sich bei dem 1850 um die damalige Top-Motorisierung handeln. Ein vergleichbarer neuer MB Actros verfügt bei 510PS aus einem R6-Motor noch über 12,8l Hubraum. Einen V8 wie beim Vorgänger (bis zu 598PS mit 15,9l Hubraum) gibt es wohl nicht mehr. Auch würden heutzutage vermutlich andere Eigenschaften aufgelistet werden, anstelle des selbstverständlichen Bremssystems z.B. der Verbrauch.
Durch eine Schraube und mit Hilfe zweier weißer Plastikteile hinterm Fahrerhaus wird das Modell auf dem Podest fixiert. Trotzdem kann es passieren, dass das Modell während des Transportes teilweise zerlegt wird. Das liegt daran, dass das Modell mit zahlreichen filigranen angesetzten Teilen ausgestattet ist, die allesamt nicht verklebt sind.
Leider sind bei meinen beiden Modellen die Dächer leicht eingedellt. Ich weiß nicht, ob es sich um einen Produktionsfehler handelt oder die Modelle einfach einer zu warmen Lampe ausgesetzt waren.
Schaut man sich das Modell genauer an, fällt erstmal der verchromte Rammbügel auf. Er ist kippbar, damit die Kabine ebenfalls nach vorne gekippt werden kann, um den Motor zu erreichen. Befestigt ist er über ein Scharnier an der ebenfalls verchromten Frontschürze. In dieser befinden sich vier transparent eingesetzte Nebelscheinwerfer, sowie eingesetzte Scheinwerfer mit orange bedrucktem Blinker und schwarz bedruckter Scheinwerfereinfassung(!). Die ebenfalls verchromten unteren Trittstufen sind ein eigenes durchgehendes Teil, dass durch die Frontschütze am Chassis gehalten wird. Darüber befindet sich der vorbildgerecht durchbrochene angesetzte Kühlergrill mit gesilbertem Stern. Ebenfalls separat angesetzt sind die Scheibenwischer, die jeweils mit den Handgriffen (zum Scheibe putzen) ein Formteil bilden.
Auf dem Dach sind noch eine Sonnenblende, verchromte Fanfaren sowie ein großer Dachspoiler mit seitlichen Windleitblechen montiert. Zur heckseitigen Ansicht komme ich später noch.
Die Inneneinrichtung ist dreiteilig, bestehend aus einem Hauptteil mit den Sitzen, dem Motortunnel mit Details wie Ablagefächern und Schalthebel, dem Boden und dem Armaturenbrett. Dazu kommt noch der obere Teil des Armaturenbretts sowie, in schwarz, das Lenkrad mit eingraviertem Stern und vorbildgerecht gewellter Unterseite des Lenkkranzes.
Zusätzlich zur erwähnten Scheinwerferbedruckung sind beide Modelle mit silbernen Zierstreifen versehen, die rot bzw. schwarz umrandet sind und die Typenbezeichnung 1850 enthalten. Außerdem sind auf den Kotflügeln die seitlichen Blinker und Positionslichter (oder sind es nur Reflektoren?) orange bedruckt.
Der Vergleich mit einem MB SK 1838 in 1:87 von Herpa macht den Größenunterschied deutlich. Leider sind bei dem Herpa-Modell (125 Jahre Lueg Wattenscheid) die beiden Auspuffrohre abgebrochen und es besitzt keinen Dachspoiler. Dadurch wirkt der Unterschied größer als er eigentlich ist.
Nun ein Blick auf die Heckansicht. Unter der gekippten Kabine findet sich der V8-Motor. Der Kippmechanismus ist mit einer Schraube versehen, vermutlich wäre eine reine Kunststoffkonstruktion zu schwach für das doch recht beachtliche Gewicht der Kabine gewesen.
Die acht Zylinder (jeweils mit Stern) sowie der Kühler sind deutlich zu erkennen. Die beidseitigen Abgasleitungen werden unter dem Chassis in schwarz fortgeführt. Eine Verbindung der Abgasleitungen mit den beiden verchromten Auspuffrohren existiert jedoch nicht. Das macht auch Sinn, da es dieses Modell (in rot) auch ohne die beiden stehenden Auspuffrohre gibt.
An die Rückseite der Kabine ist ein Luftansaugstutzen angesetzt, auf dem Bild schwer zu erkennen, da immer in schwarz. Die beiden verchromten Auspuffrohre stehen auf einer silbernen Trittplatte mit linksseitigen Trittstufen (genaugenommen sind sie durchgesteckt).
Die bewegliche Sattelplatte sieht nicht so aus, als wenn ein Auflieger vorgesehen gewesen wäre, dafür ist das Loch zu klein, außerdem ist es nach hinten verschlossen, also so verriegelt, dass ein Aufsatteln nicht möglich ist. Möglicherweise hätte es zusammen mit einem Auflieger auch eine Sattelplatte mit Spielwert gegeben, sie scheint aber nicht leicht austauschbar zu sein. Soweit ich weiß, dürfte diese Zugmaschine mit nach oben offenen hinteren Kotflügeln und ohne Auflieger nicht fahren. Entweder die Räder sind abgedeckt, oder ein Auflieger übernimmt diese Aufgabe. Das ist allerdings nur Halbwissen.



Am eher schmucklosen Heck sind die Rückleuchten rot-transparent eingesetzt, unter dem linken ist ein Kennzeichen vorgesehen.
Die profilierten Reifen sind aus hartem schwarzem Gummi und mit verchromten Felgen versehen. Die Achsen quietschen, aber ansonsten sind die Rolleigenschaften sehr gut.
Die Bodenprägung auf der Unterseite des Tanks ist "WW / Germany"

Bei den "selbstzumontierenden Zubehörteilen", auf die auf der Packung hingewiesen wird, handelt es sich um drei Spiegel, die in einer Plastiktüte beiliegen. Die Innenseite ist verchromt, entsprechende Befestigungslöcher befinden sich an der Kabine. Links zwei und rechts drei, um dort den einzelnen kleinen Spiegel über dem Beifahrerfenster anbringen zu können.

Zum Schluss noch zwei Vergleiche mit HO-Figuren.
Wie bei großen Fahrzeugen üblich, darf natürlich der Vergleich "Mann vs. Reifen" nicht fehlen. Der stehende Fußgänger ist trotz Hut noch immer etwas kleiner als der Hinterreifen der Zugmaschine.
In einer HO-Welt wäre dieses Modell mit Sicherheit eine beeindruckende Erscheinung... ;)


Wie man sieht gestaltet sich das Putzen der Windschutzscheibe für die HO-Tankwarte recht schwierig. Aber mit einer Leiter und dem Rammbügel als Trittstufe scheint das durchaus machbar ;)

Zu hoffen ist allerdings, dass der Rammbügel ausreichend gesichert ist, damit nicht der Kippmechanismus ausgelöst wird.

Leider weiß ich kaum etwas über die Hintergründe, warum es dieses Modell überhaupt gibt. Es passt nicht zum damaligen Wiking-Programm, es gibt keinen passenden Auflieger und auch nur wenige Varianten.
Im Katalog 1993 wird das Modell mit drei Fotos und einem kurzen Text vorgestellt. Unter der Überschrift "Über 5 Jahrzehnte Wiking-Modell" steht dort:
"Bis in die siebziger Jahre produzierten wir vornehmlich für die Automobil-Industrie Wiking-Modelle im größeren Maßstab. Diese Tradition setzen wir mit der neuen Mercedes-Benz 1850 Zugmaschine im Maßstab 1:43 fort."
Scheinbar war tatsächlich eine Fortsetzung der früheren Tradition geplant, diesmal wohl mit Mercedes statt VW als Kunden. Die rote Variante erschien 1997 dann kommentarlos unter einer eigenen Rubrik "1:43". Erstaunlich scheint für mich auch der Zeitpunkt eines MB SK als Werbemodell. Bereits 1994, also nur ein Jahr nach Erscheinen dieses Modells im Wiking-Programm, gab es ein Facelift des Vorbilds zum MB SK II. Damit entsprach das Modell sehr schnell nicht mehr dem aktuell angebotenen Vorbild.
Interessanterweise zeigt der Katalog und auch der Druck auf der Packungsrückseite beim schwarzen Modell ein Vorserienmodell. Die hinteren Seitenfenster sind glatt, beim Serienmodell sind sie mit Lüftungsrippen (?) abgedeckt. Außerdem ist die Sattelplatte silbern statt schwarz und es fehlt die seitliche Bedruckung der Blinker und Positionsleuchten.
Wenn jemand weiterführende Informationen zu diesem außergewöhnlichen Modell hat, würde ich mich über eine Mail oder einen Kommentar freuen.

Nachtrag (30.10.2011):
Inzwischen habe ich erfahren, dass es damals einen Pritschen-Auflieger und einen für Container gegeben hat, beide schafften es aber nicht in die Serie. Der Pritschen-Auflieger wurde 1993 als Messemuster gezeigt, ein Bild gibt es im "modell magazin", Heft 3/1993, S. 13. Es handelte sich um einen 3-achsigen Auflieger, mit Spriegel ohne Plane. Die Holzlatten des Spriegels konnten einzeln abgenommen, die Seitenwände des Aufliegers einzeln heruntergeklappt werden.
Aufgrund seiner Filigranität dürfte das Modell nur für Sammler und nicht mehr für Kinder geeignet gewesen sein. Außerdem wäre der Verkaufspreis wohl recht hoch gewesen. Schließlich wurde das Projekt vor der Serieneinführung gestoppt, offiziell aus Kostengründen.

2 Kommentare:

  1. Hallo Carsten,
    "zwei Doofe, ein Gedanke!" ;o)
    Ich habe auch erst vor einiger Zeit mit dem Gedanken gespielt, mir das Modell zu zulegen.
    Habe dann aber doch davon Abstand genommen, da es nicht wirklich in meine Sammlung passt.
    Trotzdem ist es ein interessantes und vor allem imposantes Modell, welches hier eine Würdigung erfährt. Schade, daß Wiking nie den Auflieger produziert hat.
    Gruß
    Martin

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  2. Das 1:43-Modell des Mercedes SK fristet heute in der Tat ein Dasein als Mauerblümchen. Es war der Versuch von Wiking, stärker im Bereich des Maßstabs 1:43 Fuß zu fassen. Wiking hatte wie angedeutet bereits in früheren Jahren Modelle in 1:40/1:43 umgesetzt; doch Anfang der 1990er suchte man neue Marktnischen. Herpa hatte bereits releativ erfolgreich eine Serie von PKW-Modellen im Maßstab 1:43 gestartet (zunächst sehr aufwändig konstruierte Ferrari-Modelle aus Kunststoff mit zahlreichen Funktionen wie klappbare Türen und Hauben, Einzelradfederung etc., später einfacher gemachte PKW-Modelle aus Zinkdruckguß [zumeist Werbe-Aufträge aus der Automobilbranche, z.B. Mercedes W124 Facelift, W210, W140, VW Polo III, VW Sharan etc.]).
    Wiking wollte hier im Maßstab 1:43 in den Bereich der Nutzfahrzeuge vorpreschen. Wie schon angemerkt, scheitere dies wohl an den hohen Kosten für den Formenbau. Schließlich kostete die Mercedes-Zugmaschine 1993 im Laden knapp 80,- DM (Preisgruppe 60, ich meine es waren 79,- DM, kann es genau gerade nicht nachprüfen, da keinen Proepekt zu Hand). Der hohe Verkaufspreis mag ein weiteres K.o.-Kriterium für die Vermarktung gewesen sein. Eine kleine Korrektur zu den Ausführungen oben: das rote Modell (7700260) war bereits im Prospekt 1995 abgebildet. Gruß

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